Größer, höher, älter: Superlative des Kirchenbaus (2024)

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Die größte Kirche der Welt

Die Frage nach der größten Kirche der Welt scheint schnell beantwortet: Die meisten Menschen würden wohl ohne zu zögern die mächtige Petersbasilika in Rom nennen. Ganz so einfach ist die Sache dann aber doch nicht. Denn als Kriterien für "groß" werden in der Fachliteratur die verschiedensten Maße herangezogen: Ist nun die Länge des Gebäudes entscheidend? Die Breite? Die Höhe? Und geht es dabei um die Außen- oder die Innenmaße eines Gotteshauses? Oder sollte nicht doch im Vordergrund stehen, wie viele Menschen in einer Kirche Platz finden? Die "Kriterien-Frage" lässt sich leider nicht eindeutig beantworten.

Geht man nun nach einem Zusammenspiel aus verschiedenen Superlativen, so steht tatsächlich Sankt Peter im Vatikan auf Platz 1 der größten Kirchen. Mit einer Gesamtlänge von 211 Metern ist der von 1506 bis 1626 erbaute Petersdom die längste Kirche der Welt; über 20 Meter trennen zum nächstlängsten Gotteshaus, der Christuskathedrale im englischen Liverpool. Auch bei der inneren Länge stellt die Päpstliche Basilika auf dem Vatikanhügel mit ihrem mehr als 186 Meter langen Kirchenschiff einen Weltrekord auf. Nebenbei: Wer auf der Mittelachse durch den Petersdom auf den Papstaltar zuläuft, wird auf dem Boden immer wieder goldene Wegmarken entdecken, die den Namen und die Länge der nächstlängsten Gotteshäuser angeben. Schließlich ist Sankt Peter auch im Bereich des Fassungsvermögens Spitzenreiter: Bis zu 60.000 Gottesdienstteilnehmer finden im Inneren Platz – so viele Menschen verkraftet weltweit kein anderes Kirchengebäude.

In einem Kriterium wird der Petersdom jedoch deutlich von einer anderen Kirche geschlagen – genauer gesagt um das Doppelte: Es geht hier um die sogenannte "überbaute Grundfläche". Das meint die Fläche, die ein Bauwerk mit allen dazugehörigen Gebäudeteilen abdeckt. Während Sankt Peter es hier auf etwa 15.000 Quadratmeter schafft, verfügt die Basilika Notre-Dame-de-la-Paix (deutsch: Unserer Lieben Frau des Friedens) in Yamoussoukro im Staat Elfenbeinküste über eine überbaute Grundfläche von ungefähr 30.000 Quadratmetern. Die von 1985 bis 1988 errichtete Kirche ist formal dem Petersdom nachempfunden, besitzt wie er eine gewaltige Kuppel sowie charakteristische Kolonnaden – also Säulengänge – wie auf dem Petersplatz. Der als Zentralbau konzipierte eigentliche Kirchenraum ist jedoch deutlich kleiner als der der römischen Basilika. "Nur" 18.000 Menschen finden im Inneren der 1990 von Johannes Paul II. geweihten Kirche Platz.

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Der höchste Kirchturm der Welt

Im Gegensatz zur größten Kirche lässt sich die Frage nach dem höchsten Kirchturm der Welt eindeutig beantworten. Und eindeutig müssen sich die Katholiken in diesem Fall den Protestanten geschlagen geben. Das zwischen 1377 und 1890 errichtete Ulmer Münster erreicht eine Höhe von über 161 Metern. Zugleich gilt das Münster Unserer Lieben Frau – so der vollständige Name – als die größte evangelische Kirche Deutschlands. Das größte katholische Gotteshaus hierzulande ist zugleich das mit dem höchsten katholischen Kirchturm der Welt: der Kölner Dom. Über 700 Jahre – von 1164 bis 1880 – wurde an dem gotischen Giganten gebaut. Die charakteristischen Zwillingstürme kommen auf eine Höhe von über 157 Metern und müssen sich Ulm somit um etwa 4 Meter geschlagen geben. Bis 1884 war der Kölner Dom – eigentlich Hohe Domkirche Sankt Petrus – das höchste Gebäude der Welt.

Aber in puncto Höhe gibt es für die Katholiken einen Lichtblick: Die wohl berühmteste Kirche Spaniens, die Basilika Sagrada Familia in Barcelona, könnte das Ulmer Münster bald locker toppen. Mit dem Bau der vom Architekten Antoni Gaudi entworfenen Kirche wurde bereits 1882 begonnen. Das Gotteshaus ist bis heute unvollendet, soll aber nach jüngsten Planungen zum 100. Todestag Gaudis im Jahr 2026 fertiggestellt werden. Der Hauptturm wird dann eine Höhe von über 172 Metern erreichen und einen neuen Weltrekord in Sachen Kirchturmhöhe aufstellen.

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Die größte Kirchenkuppel der Welt

Nicht nur riesige Türme erheben sich über christlichen Sakralgebäuden. Oft krönen auch gigantische Kuppeln die Gotteshäuser. Und mit diesen können die Kirchen durchaus in die Höhenregionen der höchsten Kirchtürme vorstoßen. Tatsächlich ist der Kölner Dom nämlich nicht das höchste katholische Kirchengebäude der Welt, sondern wird von einem Bau mit Kuppel übertroffen: der Basilika Notre-Dame-de-la-Paix an der Elfenbeinküste. Mit Kuppelkreuz erreicht das Gotteshaus eine Höhe von knapp über 158 Metern und ist damit einen guten Meter höher als Kölns Kathedrale. Die weltweit größte Kuppel besitzt die Basilika jedoch nicht. Diese bemisst sich nach dem Innendurchmesser – und hier ist der Dom Santa Maria del Fiore in Florenz Rekordhalter. Die Kuppel der 1436 fertiggestellten Kathedrale gilt als architektonisches Meisterwerk, handelt es sich doch um die erste doppelschalige Kuppel der Renaissance. Der Innendurchmesser bewegt sich zwischen 42 und 45 Metern.

Platz 2 belegt ein Bauwerk, bei dem schnell vergessen wird, dass es sich überhaupt um eine Kirche handelt: das Pantheon in Rom. Der später umgeweihte antike Tempel aus dem 2. Jahrhundert war über viele Jahrhunderte der Rekordhalter in Sachen Kuppelgröße. Mit einem Innendurchmesser von mehr als 43 Metern verfügt das Pantheon (eigentlich: Kirche Santa Maria ad Martyres) bis heute über die größte "nicht-bewehrte" – also ohne Stahl verbaute – Betonkuppel der Welt. Bis ins 20. Jahrhundert hinein hatte der besterhaltene antike Bau Roms Vorbildcharakter für die abendländische Kuppelbaukunst – so auch für den Petersdom: mit über 42 Metern Durchmesser Platz 3 der größten Kirchenkuppeln.

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Die älteste Kirche der Welt

An der Frage nach der ältesten Kirche der Welt scheiden sich die Geister, und das aus zweierlei Gründen: Zum einen stellt sich die Frage, was überhaupt als Kirche zu gelten hat – sind etwa schon frühchristliche Gebetsräume so zu klassifizieren? Zum anderen machen Archäologen in aller Welt immer wieder neue – vermeintlich spektakuläre – Funde; die älteste "Kirche" der Welt könnte somit schlicht noch unentdeckt sein. Im Jahr 2005 gruben israelische Archäologen in Megiddo/Nordisrael eine unterirdische christliche Gottesdienststätte aus, die angeblich bereits im 1. Jahrhundert als solche genutzt wurde. Eine 2008 entdeckte "Höhlenkirche" im jordanischen Rihab wurde von manchen Forschern ebenfalls in das 1. bis 2. Jahrhundert datiert. Gesichert sind beide Fälle nicht. Die bislang älteste, archäologisch einwandfrei nachgewiesene Kirche ist die sogenannte "Hauskirche von Dura Europos" – eine antike Stadt im Osten Syriens. Die Kirche konnte auf das frühe dritte Jahrhundert – um 230 – datiert werden.

Zu den ältesten Kirchengebäuden, die bis in die Gegenwart als solche genutzt werden, zählen jene aus der Zeit unmittelbar nach der "Konstantinischen Wende": Erst als die Christenverfolgungen im Römischen Reich zu Beginn des 4. Jahrhunderts endeten und das Christentum "legalisiert" wurde, begann man mit dem Bau von Kirchen im heutigen Sinn. Prominente Beispiele sind die Geburtskirche in Betlehem und die Grabeskirche in Jerusalem, die beide um 330 errichtet wurden, sowie der um 340 erbaute Trierer Dom, der als älteste Kirche Deutschlands gilt.

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Die größte Kirchenglocke der Welt

Der ganze Stolz der Kölner ist nicht nur ihr Dom als Gesamtbauwerk, sondern auch ein spezieller Gegenstand aus dem Inventar der Kathedrale: die auf Kölsch als "Decke Pitter" bezeichnete Sankt Petersglocke. 1923 gegossen, wurde sie im Glockengestühl des Südturms aufgehängt und läutet seitdem nur zu besonderen Anlässen wie dem Tod eines Papstes, der Einführung eines neuen Erzbischofs oder an hohen kirchlichen Feiertagen. Mit rund 24 Tonnen Gewicht und einem Durchmesser von 3,22 Metern war sie lange Zeit die größte freischwingende Glocke der Welt. Im November 2016 wurde für die rumänisch-orthodoxe "Kathedrale der Erlösung des Volkes" in Bukarest eine noch größere Glocke gegossen: Sie wiegt mehr als 25 Tonnen und hat einen Durchmesser von 3,35 Metern. Die Vorgängerin der Kölner Petersglocke übertraf selbst diese Ausmaße: Die 1918 eingeschmolzene "Kaiserglocke" wog über 27 Tonnen.

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Die größte Kirchenorgel der Welt

Mit 17.974 Pfeifen, 333 Pfeifenreihen und 233 Registern gilt die Orgel im Passauer Stephansdom als größte (katholische) Kirchenorgel der Welt. Es handelt sich dabei um eine Gesamtanlage aus fünf Orgelwerken, die von einem Hauptspieltisch aus gemeinsam gespielt werden können. Die größte Orgelpfeife hat eine Länge von über 11 Metern und wiegt 306 Kilogramm. Die heutige Orgel wurde in den Jahren 1977 bis 1980 neu errichtet, wobei auch Teile früherer barocker Orgeln aus dem Dom St. Stephan verbaut wurden. Selbst Hollywood-Legende Arnold Schwarzenegger ließ es sich kürzlich nicht nehmen, bei einem Besuch in Passau auf der Riesenorgel zu spielen. Die größte Orgel in einem religiösen Gebäude überhaupt steht übrigens in der Wahlheimat des gebürtigen Österreichers: 23.500 Pfeifen und 380 Pfeifenreihen besitzt die Orgel in der protestantischen "Military Academy Cadet Chapel" in West Point/New York.

VonTobias Glenz

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Author: Tish Haag

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